Tempo, Technik, Teamwork | Die Klingele Paper & Packaging Group hat sich zu einem weltweiten Player für Wellpappe entwickelt – und will weiter wachsen.
Remshalden | 1920 gründeten Alfred Klingele und sein Schwager Emil Holfelder im badischen Wiesloch die erste Fabrik – sein Sohn Dr. Werner F. Klingele verlegte in den fünfziger Jahren den Firmensitz in die Nähe von Stuttgart und heute führt sein Enkel Dr. Jan Klingele das Familienunternehmen in dritter Generation.
In den zurückliegenden Dekaden hat es sich zu einem international führenden Player für Verpackungen aus Wellpappe, Papier und Klebstoffe entwickelt. Die Klingele Paper & Packaging Group, wie die Dachmarke seit Ende 2019 heißt, ist an Standorten in Europa, Afrika, Mittel- und Südamerika aktiv – sogar in Regionen wie Kuba, Guadeloupe, Mauretanien und Senegal betreibt sie eigene Werke. 2021 erwirtschaftete die Gruppe mit 3.200 Mitarbeitern einen Umsatz von rund einer Milliarde €, gut die Hälfte davon im Ausland. Die enorme Entwicklung basiert auf einer mutigen Entscheidung aus dem Jahr 2000. Damals startete Klingele das größte Expansionsprogramm der Firmengeschichte und investierte seitdem über eine halbe Milliarde € in neue Maschinen, Technologien und Prozesse.
Die geographische Ausdehnung folgt einer kaufmännischen Logik. Wellpappe ist ein Produkt, wie Dr. Jan Klingele salopp formuliert, „das aus reichlich Luft besteht, viel Platz braucht und im Vergleich dazu wenig kostet". Deshalb lohnt sich die räumliche Nähe zwischen Hersteller und Abnehmer. Anders gesagt: „Ab einem Lieferradius von mehr als 200 Kilometern wird's schnell unrentabel", so Klingele. 1961 mit der ersten Auslandsbeteiligung in Spanien gestartet, hat das Unternehmen heute ein globales Netzwerk geschaffen. Wohin expandiert wird, wägt das Management genau ab. So spielt beispielsweise für das Engagement in Lateinamerika und Westafrika eine relevante Rolle, dass die Risiken vor Ort mit entsprechenden Chancen gepaart sind und Klingele maßgeblich zur Verbesserung der lokalen Situation beitragen kann.
Seit inzwischen 16 Jahren existieren die „Blue Box Partners": 2006 schlossen Klingele und drei Familienunternehmen aus Italien, Spanien und Belgien eine Allianz, um gemeinsam stärker zu sein. Dadurch reagierte man auf den Trend, dass große Markenartikler ihre Aufträge immer öfter europaweit ausschreiben. „Wenn wir im Verbund auftreten, können wir nahezu ganz Europa abdecken. Das nutzt uns allen.", sagt Dr. Jan Klingele. Aktuell machen die über Blue Box Partners erhaltenen Aufträge rund 15 Prozent des Umsatzes aus. Der wichtigste Effekt ist, dass „wir dadurch unser Geschäft mit den paneuropäischen Kunden verteidigt und gestärkt haben".
Nach dem Tod seines Vaters Werner im Jahr 1992 übernimmt Klingele die Leitung des Familienunternehmens, mit dem er sich zuvor schon beschäftigt hat. Seine Fähigkeiten in Informatik beweist er, als er zwei Mal „Jugend forscht"-Regionalsieger wird; in der Firma übernimmt der Oberstufenschüler die Rolle des inoffiziellen IT-Beauftragten. Dadurch weiß er, welches Potenzial professionelle Software für die Abläufe in einem Unternehmen bringt. Und deshalb entscheidet Klingele, als SAP (bereits mit Standardprogrammen im Unternehmen eingesetzt) für die – aus Sicht des Softwareanbieters zu kleine – Wellpappenbranche keine angepasste Lösung anbietet, diese selbst zu entwickeln. Der junge Firmenchef ist damit erfolgreich: Das über die Jahre weiterentwickelte System läuft bis heute nicht nur bei Klingele, sondern auch bei zahlreichen anderen Branchenkollegen weltweit.
Das Beispiel illustriert, was Dr. Jan Klingele persönlich wichtig und inzwischen zum Markenslogan geworden ist: Tempo, Technik, Teamwork. Schnell sein, rasch reagieren, flexibel handeln, das betrachtet er als großen Vorteil eines unabhängigen Familienunternehmens. „Technologisch auf dem neuesten Stand zu sein, davon profitieren wir intern und ebenso unsere Kunden.", betont Klingele.
Teamwork definiert er in zwei Richtungen. Zum einen legt der Chef großen Wert auf gute Atmosphäre, modernen Führungsstil und Firmenkultur. Vor dem Hintergrund zunehmenden Wettbewerbs um qualifiziertes Personal hat Klingele zum Beispiel schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefördert, den Trend zu Home-Office unterstützt, außerdem früh Dienstfahrräder angeboten und ladefähige Parkplätze für E-Autos geschaffen. Zum anderen sind Klingele gewachsene stabile Beziehungen zu Lieferanten, Partnern und Kunden wichtig. Auch deshalb engagiert er sich auch in mehreren Berufs- und Branchenverbänden.
Eines der Themen, das Klingele im eigenen Unternehmen vorantreibt, ist Nachhaltigkeit. Wellpappe basiert auf nachwachsenden Rohstoffen und ist vollständig biologisch abbaubar, weshalb es als umweltfreundliches Verpackungsmaterial noch mehr Beachtung finden soll. Wahr ist aber auch, dass die Herstellung von Papier und Wellpappe viel Energie braucht. So etwas weckt Klingeles Ehrgeiz, Lösungen zu finden. Ein Beispiel: Am Standort Weener hat die Klingele Group 2008 ein eigenes Kraftwerk gebaut, das aus Abfällen gewonnene Brennstoffe verwertet. Damit wird nicht nur die Prozesswärme zur Papiertrocknung geliefert, sondern auch ein Großteil der benötigten elektrischen Energie selbst erzeugt. Die 2021 erworbene Papierfabrik im brasilianischen Nova Campina geht noch einen Schritt weiter: „Dort wird es uns gelingen, unsere erste klimapositive Fabrik zu betreiben, die mehr Treibhausgase einspart als sie produziert."